Die Geschichte der exklusiven Sammlung mechanischer Musikinstrumente von Fredy Künzle liest sich wie ein spannender Roman. Am1. Juli 1976 eröffnete der Toggenburger seine erste öffentlich zugängliche Ausstellung im Saal des altehrwürdigen «Restaurants zur Hoffnung» in Lichtensteig. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich das 1978 eröffnete Museum im Haus «Zur Frohburg» an der Bürgistrasse zur Institution entwickelt, die aus der Landschaft wichtiger Schweizer Sehenswürdigkeiten kaum mehr wegzudenken ist.
Gerade mal sieben Jahre alt war Fredy Künzle, als ein Zufall 1961 in ihm die Sammlerleidenschaft weckte. Das Haus einer Grosstante wurde als eines der letzten in Wildhaus elektrifiziert. Vieles wurde dadurch im Haushalt überflüssig, wie Petrollampen, Kohlebügeleisen und auch ein Grammophon. Fredy trug zum Ärger seiner Eltern all diesen «Gerümpel » mit nach Hause und hortete fortan seine Schätze. Mit grossem Eifer und Einfallsreichtum begann er Antiquitäten zu sammeln. Er anerbot sich als Helfer und trug alten Leuten das Brennholz auf den Dachboden, dies natürlich auch mit der Absicht, zu sehen, ob brauchbares Altertum vorhanden war. Künzle liess sich oftmals mit alten Gegenständen entlöhnen oder machte für Dieses und Jenes gleich Kaufangebote. Mit zehn Jahren kam er so zu seinem ersten Trichtergrammophon mit einer Schellackplatte. Ein alter Schlager war darauf eingespielt: «In einer kleinen Konditorei». Wem der Text präsent ist, weiss, dass es dort heisst: «Und das elektrische Klavier, das klimpert leise». Dies war bestimmt die Sternstunde im Leben des heute weltweit anerkannten Spezialisten für mechanische und pneumatische Musikinstrumente.
1965 kam Fredy Künzle zur ersten Schweizer Spieldose, die heute noch in seiner Sammlung zu bestaunen ist. Künzle ergatterte Antiquitäten aller Art und hatte kaum Platz sie zu verstauen. Deshalb mietete er als Dreizehnjähriger eine Garage und begann mit einem Handel. Zur Weihnachtszeit gab er jeweils im Tages Anzeiger Inserate auf und bot Samstags alles an, was er nicht selbst behalten wollte. Im Alter von 14 Jahren hatte er als Beispiel eine stattliche Sammlung von 163 Petrollampen, die er allesamt wieder verkaufte, um aus dem Erlös Musikautomaten zu kaufen.
1968 bis 1972 erlernte Fredy Künzle den Mechanikerberuf. Während dieser Lehrzeit beim gestrengen Traktorenbauer Hans Hürlimann trug er alte Motorräder und Autos zusammen. Erst mit 17 Jahren kam er in den Besitz eines elektrischen Klaviers. 1973 suchte Fredy Künzle einen geeigneten Lagerraum und wurde im völlig heruntergekommenen Restaurant zur Hoffnung fündig. Der Umstand, dass in den besten Zeiten dieses Gasthauses ein Orchestrion aus Waldkirch im Schwarzwald darin gestanden hatte, ein «Weber Grandezza», bestärkte Fredy Künzle in seinem Wunschtraum, sein eigenes Museum aufzubauen. Sammelleidenschaft allein genügte aber nicht. Jedoch das technische Wissen, um die meist desolaten mechanischen Instrumente spielbar zu machen, konnte nirgends mehr auf üblichem Weg erlernt werden. Er lernte Louis Hartz in Basel kennen. Der gebrechliche alte Mann reparierte sein Leben lang Orchestrien aller Art und war einst bekannt als Spezialist für die exklusive «Phonoliszt Violina». Die Lehrzeit dauerte nur vier Monate, danach wurde Louis Hartz schwer krank und verstarb.
Einige deutsche Instrumentenbauer im hohen Alter gaben Künzle weitere Tipps, wie er elektropneumatische und mechanische Musikinstrumente zu behandeln hatte. Das ganze weitere Wissen hat sich Fredy Künzle in der eigenen Praxis erworben, durch tüfteln und basteln oder ganz einfach zufällige Erkenntis. 1974 bis 1978 arbeitete ein früherer Schulkollege und gelernter Möbelschreiner, Werner Bösch, mit Künzle zusammen. Die finanzielle Basis der jungen Firma waren Verträge mit den renommierten Musikhäusern Hug und Jecklin zur Revision von Harmonien.
Der 1. Juli 1976 war in Lichtensteig ein grosser Freudentag. Im Saal des Restaurants zur Hoffnung wurde «Fredy’s mechanischer Musiksalon » eröffnet. Das alte Gebäude bot aber kaum Platz, um die ganze Sammlung würdig zu präsentieren. 1978 konnte Künzle eine Fabrikantenvilla an der Bürgistrasse erwerben. Seither besetzt das mechanische Musikmuseum, das viel mehr ist als ein Geheimtipp für Nostalgiker, eine wertvolle kulturelle Institution im Toggenburg. Dafür wurde Fredy Künzle 1996 mit dem Kulturpreis des Kantons St. Gallen ausgezeichnet. Den Inhalt der Sammlung kurz zu umschreiben ist kaum möglich, deshalb seien nur die exklusivsten Raritäten erwähnt. Zum Beispiel eine 6 Fredy Künzle Schwarzwälder Flötenuhr, ein Plattenspielautomat mit mechanischem Plattenwechsler der Leipziger Firma «Polyphon», der 1896 patentiert wurde, ein pneumatischer Klaviervorsetzer der Marke «Pianola»,wie er schon von Marlene Dietrich besungen wurde oder ein heissluftbetriebenes Hammerklavier mit «Jacquard-Steuerung». Gleich zwei Konzertflügel mit eingebautem «Welte-Mignon-System» reproduzieren Klaviervorträge berühmter Künstler wie Edvard Grieg oder Ignatz Paderewsky. Drei echte Geigen mit Klavierbegleitung verwöhnen die Besucher mit Salonmusik, wenn Künzle sein «Phonoliszt-Violina» in Betrieb setzt, das einzige Exemplar des von Hupfeld Leipzig letztgebauten Modells C (1928) weltweit. Ein grosses walzengesteuertes Orchestrion der Schwarzwälder Orgelbaufirma Imhof und Mukle kann zurzeit leider nicht gespielt werden, da es dringend einer Restauration bedarf. Das grösste Jazzband-Orchestrion im Museum ist das Weber Maestro, es ersetzt ein ganzes Orchester mit erstklassigem Piano, vollständiger Violine, Flöte, Klarinette, Trompete, Jazztrompete, Cello, Saxophon, Lotusflöte, Xylophon und ein reich ausgestattetes Schlagzeug. Drehorgeln und Karussellorgeln vertreten die Strasseninstrumente. Schlusspunkt eines Rundganges sind moderne Rhythmen auf einer der besten belgischen Tanzorgeln von «De Cap» Antwerpen.d.